Mittwoch, 4. November 2009

Gesetzesnovelle zum Schächten

Endlich!

Ein Beschluß des obersten Gerichtshofs gebietet nun das Aus jeglicher Kritik an spirituellen Handlungen. Die Angehörigkeit zu einer religiösen Glaubensgemeinschaft und den damit verbundenen Traditionen und Bräuchen ist ein essenzieller Bestandteil der Menschenrechte. Ebenso muß als selbstverständlich angenommen werden, daß es für alle Menschen nicht bloß einen Gott und eine Religion gibt, sondern viele. Woran Menschen glauben, ist Privatsache und kann nicht vorgeschrieben werden. Tief verankert im Naturrecht ist auch die Toleranz Andersgläubiger.

Nun haben Tierschützer das Recht der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung in übler Weise deformiert, indem sie Schächter als Tierquäler vor Gericht zerrten, sodaß diese dadurch genötigt waren, ihren Glauben zu rechtfertigen. Ungeheuerlich ist, daß es in unserem Land überhaupt so weit kommen konnte. Glücklicherweise hat der oberste Richter unseres Landes die Kläger sofort zurechtgewiesen und den unwürdigen Prozeß beendet. Lizette hat darauf für seine treuen Leser recherchiert, was das Wort „Schächten“ bedeutet und bei diversen Umfragen festgestellt, daß die Befragten darüber nur spekulieren. Aus Sorge, daß dieser wichtige Akt und Beschluß unseres Gerichts missverstanden werden könnte, bzw. gar nicht, bemühen wir uns hier um eine exakte Erklärung.

„Schächten“ ist das Zeitwort zu „Schacht“ und bedeutet, einen Schacht herstellen.

Wenn aber einer hierzulande einen Schacht gräbt, sagen wir, er hebt einen Schacht aus. Wir sagen nicht, er „schächtet“, obwohl wir das könnten. Das Wort „Schächten“ haben wir reserviert für die Herstellung eines ganz spezifischen Schachtes.

Wir könnten das auch anders nennen, es erschien uns hier aber als notwendig präzise, notwendig deswegen, weil wir nichts wirklich Sinngemäßeres sagen wollten bzw. konnten.

Wir verwenden dieses Wort dann, wenn Menschen mit einem Messer einen Schacht in der Hauptschlagader eines Tieres anlegen. Durch diesen Schacht entweicht das Blut, sofern das Tier lange genug am Leben bleibt; denn hörte das Herz auf, zu pumpen, würde es nicht ausbluten. Das Schächten dient somit exakt dem effizientesten Ausbluten eines Tieres, wodurch sogenanntes koscheres Fleisch entsteht.

Den Begriff „koscher“ konnten wir nicht unmittelbar aus einem bekannten Wortstamm herleiten, wir wissen allerdings, daß es Religionen gibt, die das Essen von koscherem Fleisch anordnen, weil Blut zum einen klimabedingt als unsauber gilt, andererseits muß dem jeweiligen Gotte von allen Speisen stets ein gewisser Anteil überlassen werden. Wir sprechen dann von einem Gottesquant.Unsere Tierschützer wollten nun ganz im Ernst diesen tief spirituellen Akt des Essens von koscherem Fleisch in Frage stellen, indem sie dessen Herstellung, die Blutentleerung bei lebendigem Leib, als Tierquälerei hinstellten.

Dieser traurige Vorfall weist nur allzu deutlich auf die Ungleichheit der Betrachtung verschiedener Religionen und Diskriminierung hin. Da unsere katholischen Priester das Blut Christi trinken, wollten wir vermutlich Andersgläubige dazu zwingen, dies auch zu tun. Das Christentum hat ja, wie wir wissen, bei ebendenselben Völkern seinen Ursprung, die kein Blut essen dürfen. Und warum? Die einen haben gesagt, es sei ihre Religion und die anderen meinten, ihre sei es nicht. Leider wissen wir heute nicht mehr, ob diese Glaubensspaltung einzig den Verzehr von Blut als Auslöser hatte, oder ob Christus irgendetwas anderes Unglaubliches getan hat. Tatsache ist natürlich, daß wir nur gleichnishaft „das Blut Christi“ sagen. Da sich davon bis heute nichts frischgehalten hat, nehmen unsere Gläubigen anstelle von Blut Meßwein zu sich.

Kurzum, hiermit haben wir uns einmal mehr eine Blöße gegeben, indem wir nicht akzeptieren, daß andere nicht so sind. In anderen Kulturen, wo man kein Blut trinken darf, muß es eben aus dem Fleisch entfernt werden, weil dort in den Büchern ausdrücklich vom Blutkonsum und nicht vom Fleisch die Rede ist.

Ein geschätzter einheimischer Künstler, der mit seiner Aktionskunst häufig auf diesen Blutskonflikt hinweisen wollte und als Vorfechter des legalisierten Schächtens gilt, hat Lizette mitgeteilt, daß er sich nun neuen Aufgaben widmen werde. Was er - es ist Lizette ausdrücklich untersagt, seinen Namen zu nennen, weil der Künstler seine Werke nur mit eigenen Worten interpretieren möchte - also sinngemäß als so freiheitsberaubend empfindet, ist, daß unsere Gesetze das Opfern von Jungfrauen verbieten. Dieser gute alte Brauch sei immerhin Bestandteil vieler Naturreligionen und des Satanismus gewesen.

Lizette kann an dieser Stelle nur großes Bedauern über das menschenunwürdige Verhalten unserer Justiz äußern und wünscht dem großen Heimatsohn Erfolg für seinen Kampf um das Menschenopfer, besonders dem der Jungfrauen, und wird, da sie die Exklusivrechte erworben hat, als einziges Medium vom ersten Happening berichten.

2 Kommentare:

  1. Hofrat Prof.Dr. Dipl.-Ing. Longjohn L.4. November 2009 um 03:29

    ... ein überaus unterstützenswerter Vorstoß, die Sache mit der Jungfrauen-Opferung, obgleich aus dem Beitrag von Lizette nicht mit letzter Deutlichkeit hervorgeht, ob der Autorin neben der Schächtung auch ansprechendere Opferungsoptionen vorschweben. Jene würde zugegebener Weise zwar den Vorteil einer alternativen und zugleich preiswerten Gewinnung des begehrten Jungfernöls bieten. Indessen ist - das darf gesagt werden - koscheres Jungfernbrüstl vielleicht nicht jedermanns Sache.
    Chacun à son goût, aber saftiger Jungfernbraten, beiseitig kurz angeschmort, hörte sich doch nicht eben übel an und könnte zu weithin geschätzter Delikatesse gedeihen. Das Jungfrauen-Opfer vermöchte diesfalls eine nicht unbedeutende kulinarische Dimension - ja sogar gesamtwirtschaftliche Bedeutung - gewinnen.
    Freilich eröffneten sich damit auch gewisse Problemlagen. Zum einen nämlich bedürfte die Wahl geeigneter Opferungstechniken subtiler Erwägung. Gift und Schrotflinte beispielsweise schieden a priori aus; wohl auch in Anbetracht der Würde der Geopferten, insbesondere aber mit Rücksicht auf die zu erwartende Einbuße der Produktqualität. Zweitens aber wäre zu besorgen, daß die vorauszusehende Belebung dieses an sich unverzichtbaren Kulturgutes das ohnedies schon beträchtlich reduzierte Kontingent gegenständlicher Gattung in einer Weise mindern könnte, die den aus rein wissenschaftlichen Gründen erhaltungsbedürftigen Mindestbestand ernstens bedrohen würde. Um das gänzliche Aussterben gegenständlicher Gattung hinten anzuhalten, wäre die inskünftige Zulassung auch bereits deflorierter - freilich ausschließlich makelloser - weiblicher Exemplare zur Opferung anzudenken ...

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  2. Anmerkung der Redaktion:
    Unsere Religionswissenschaftlerin, E. Plemp, befindet sich zur Zeit in Papua-Neuguinea auf einer Expedition zur Erforschung des geheimnisumwitterten CRXS, der dort vor einer Woche von Einheimischen gesichtet wurde. Aus diesem Grund liegt von ihrem neuesten Projekt, das der Frage nachgeht, ob Menschenopfer, auch das der Jungfrauen, zur Gänze Gott überlassen, oder ob etwa nur das Blut gespendet werden soll, das Fleisch jedoch nicht, bzw. ob ein spezieller Körperteil und wenn, dann welcher, für den Himmel bestimmt ist - ein anderer somit für die private Nutzung übrigbliebe, nur der Rohbericht vor und kann daher in dieser Ausgabe noch nicht in der gewissenhaften Qualität, wie wir sie von der berühmten Wissenschaftlerin gewohnt sind, veröffentlicht werden.

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